2012/04/10

Hanami in Shukugawara


In Japan ist der April einer der schönsten Monate, das liegt natürlich an einem Naturschauspiel, welches schon nahezu stellvertretend für Japan selbst wurde - die Kirschblüte. Der Fokus auf das lang herbeigesehnte erblühen der zarten weißen und rosa Blüten der japanischen Kirsche ist so extrem, dass vergessen wird, dass auch andere Blumen im April zu blühen beginnen. Die Omnipräsenz der sakura (桜, Kirschblüte) ist einfach zu gewaltig.

Endlich erblüht die sakura!

So wird bereits seit einigen Wochen im TV mit Sorge beobachtet, dass es doch ein (verhältnismäßig) langer und kalter Winter war und die Kirschblüte sich verspäten könnte. Tatsächlich waren vor circa einer Woche noch die Pflaumen in voller Blüte, welche eigentlich im Feber blühen.
 Dieses Wochenende - genauer gesagt am Samstag, 7.4.2012, war es dann so weit - auch die Kirschblüten in Tôkyô sind endlich von ihrem Winterschlaf aufgewacht (5 Tage später als im Vorjahr) und Knospe nach Knospe blühte auf. In den Nachrichten (beim Wetter) wurde eifrigst über den Zustand der Kirschblüten berichtet (so wie im Herbst über die Herbstlaubfärbung) und am Sonntag konnte sich nun fast die ganze Kantô-Region in Bewegung setzen und zu ihren eigenen Lieblingsplätzen pilgern.

Endlich ist es so weit! Die sakura im Inokashira Park befindet sich in voller Blüte!
(Regelmäßige Updates über das Blühen der sakura auf weathernews.jp)


In Tôkyô sind die berühmtesten und beliebtesten Orte für hanami (花見, wörtl. "Kirschblütenschau") der Ueno Park (Ueno), der Yoyogi Park (Shibuya), der Inokashira Park (Kichijôji) und der Shinjuku Gyoen. Natürlich sind diese Orte heillos überfüll, im Yoyogi Park sogar ist das Gras unter den blauen Plastikplanen, die typischerweise für das hanami, eine Art Picknick unter den Kirschblüten, verwendet wird, nicht mehr zu sehen.
sakura in voller Blüte
Und die gar so romantische Vorstellung von einem hanami, die den europäischen Betrachter befallen könnte, prallt mit der nicht so romantischen, japanischen Realität eines Hanamis zusammen. Der Klang des Wortes hanami (Kirschblütenschau) allein lässt einem Bilder in den Sinn kommen, wie zB schwarze, knorrige Äste, die sich unter einer prallen Pracht zart-rosa gefärbter Kirschblüten nach unten beugen, eine angenehme Frühlingsbrise streicht über diese Äste und nach und nach fallen einige der rosanen Blütenblätter hinab, wie Schnee, der nicht schmilzt. Der europäische Träumer sieht sich selbst unter einem dieser majestätischen Bäume sitzen und inspiriert von der ihm umgebenden Natur übt er sich womöglich ein wenig in der Zen-Meditation, findet in Mitten der zart-rosanen Kirschblüten die wahre Bedeutung des Seins heraus.

Kirschblüten säumen einen kleine Fluss in Shukugawara
Eine feine Vorstellung, oder etwa nicht? Ruhig und besinnlich ist die praktische Ausführung eines original-japanischen hanamis jedoch nicht!

Tatsächlich wird in Japan Hanami mit einer Menge Alkohol gefeiert. Dazu gibt es kleine Leckereien, hie und da an belebten Orten auch Imbissbuden, die Takoyaki (Tintenfischbällchen), Yakisoba (gebratene Nudeln), Yakitori (gebratene Hühnerspieße) und andere, für Japans Feste typische Speisen verkaufen. Vorzugsweise nimmt man als Sitzunterlage die bereits zuvor erwähnte blaue Plastikplane, welche man überall und auch in 100 Yen Shops erstehen kann und breitet sich darauf aus. Echte Profis haben Planen, auf denen gut 10 bis 15 Personen Platz finden. Natürlich darf Essen und Trinken nicht fehlen - von Klapptischchen über Klappstühlen (hie und da) bis hin zu tragbaren Mini-Grillern ist alles vorhanden. Hartgesottene Profis stellen auch mal ein kleines Zelt auf, in dem die Damen Schutz vor den UV-Strahlen - besser bekannt als Sonnenlicht - suchen können, da dies ja ein verflixter Nachteil des Frühlings ist. Man könnte ja Farbe abbekommen.

Echte hanami-Profis bringen gleich Zelte mit!
Es gibt natürlich auch Firmen-hanamis, wo alle Angestellten einer Firma oder einer Abteilung gemeinsam im Park saufen ... äh... Kirschblüten anschauen gehen. Das auch hierbei reichlich Alkohol fliesst, ist eine Selbstverständlichkeit. Dies wird wenig schmeichelhaft als hanami-zake (花見酒, Trinkgelage unter den Kirschblüten) bezeichnet. 

Dieser Kappa warnt vor schnellem Herumrennen.
Er sollte besser vor übermäßigem Alkoholkonsum warnen
Wie die Mainichi Shinbun berichtet wurden dieses Jahr 8 Mal so viele Personen wie im Vorjahr, in Zahlen 109 Personen, in Tôkyô wegen Alkoholvergiftung bei einem hanam(-zake) ins Krankenhaus gebracht. Fast genauso traurig sowie obligatorisch wie die jährlichen (meist bereits sehr betagten) Todesopfer, die an den klebrigen Neujahrs-Reiskuchen ersticken (obwohl dies natürlich andere Ursachen hat). 

In Shukugawara
Schuhe, passend fürs hanami
Nun ja, Hanami und Alkohol sind zwei beinahe untrennbare Dinge, außer im Shinjuku Gyoen, dort herrscht striktes Alkoholverbot und als ich gestern in der Pause kurz vorbeischauen wollte, wurde sogar jede einzelne Tasche der Besucher kontrolliert. Und es war wirklich viel, viel los. 

Auf soetwas hatte ich natürlich nicht besonders viel Lust, aber die Kirschblüte wollte ich  mir trotzdem anschauen gehen. Also sind wir nicht zu den hanami-Orten schlechthin gepilgert, sondern mit dem Rad in einen kleinen Nachbarort geradelt, der sich Shukugawara nennt und eigentlich schon in der Präfektur Kanagawa liegt.

Dort schlängelt sich ein kleiner Fluss durch den Ort und das Flussufer ist von Kirschbäumen gesäumt, die alle in voller Blüte standen. Wir sind den Flusslauf entlang spaziert und dann wieder zurückgegangen. Unterwegs habe ich Zuckerwatte bekommen, aber sonst haben wir nichts hanami-typisches gemacht, sondern nur beobachtet, wie die anderen Leute hanami feiern.
Beliebtes Motiv in Japan: Die Kirschblüte und ein Zug im Hintergrund (Odakyu-sen)
In Shukugawara war natürlich auch sehr viel los, schließlich war es Sonntag und das Wetter war herrlich wolkenlos (wenn auch ein wenig frisch), doch nichts im Vergleich mit den Gelagen im Ueno Park oder ähnlichen hanami-Hot Spots.


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