2013/09/10

Olympia 2020 in Tokyo - subjektiv betrachtet

Der Slogen lautet
"Discover Tomorrow"
In der Nacht vom 8. September (Japan-Zeit) wurde in Rio de Janeiro bekannt gegeben, dass Tokyo als Siegerstadt für die Olympischen Sommerspiele 2020 herausgegangen ist. 
Die beiden Konkurrenzstädte Madrid und Istanbul konnten sich nicht gegen Tokyo behaupten.
 
Somit finden zum zweiten Mal Olympische Spiele in Tokyo statt. Bereits 1964 wurden die Sommerspiele in der Hauptstadt abgehalten - weswegen bereits eine gut ausgebaute Infrastruktur für die kommenden Spiele 2020 besteht und Tokyo einen Vorteil gegenüber Madrid und Istanbul hatte. 1995 wurden die olympischen Winterspiele in Nagano abgehalten.

Der damalige Gouverneur von Tokyo, Shintaro Ishihara, hatte sich eigentlich die Sommerspiele 2016 stark gemacht und letztendlich unterlag Tokyo 2009 bei der Entscheidung Rio de Janeiro. Das hinderte Ishihara nicht daran, seinen Traum von Olympischen Spielen in Tokyo weiterzuverfolgen. Nach seinem plötzlichen Ruecktritt als Gouverneur von Tokyo verfolgte sein Nachfolger Inose weitere die Idee von Olympischen Spielen, und versprach, sie für 2020 nach Tokyo zu holen, trotz - besser gesagt, gerade wegen - der 3fach Katastrophe vom 11. März 2011. Ishiharas und Inoses sind davon überzeugt, dass das krisengeschüttelte Land die Olympischen Spiele brauchen würde, auch, um den Menschen in Japan wieder Hoffnung geben zu können, vor allen jenen Menschen, die unter den Auswirkungen des Tohoku-Erdbebens noch immer leiden müssen. 


Logo der Olympischen Spiele
in Tokyo von 1964

Allerdings finden die Spiele in Tokyo statt, und nicht in Tohoku. (Obwohl ich mich erinnere, dass Inose vorschlug, ein Stadium in der Präfektur Miyagi für Fussball haben zu wollen, allerdings bin ich mir diesbezüglich ein wenig unsicher...) Deswegen verstehe ich nicht, was die Leute in Tohoku davon haben sollten (Ausser die Tokyoter flüchten vor den Spielen in den Nordosten Japans, was ich eher bezweifle...)

Ich war mir ziemlich sicher, dass es nicht Tokyo werden würde, hauptsächlich wegen dem AKW Fukushima und Inoses rassistische Aussagen über den Mitbewerber Istanbul (die an und für sich bereits ein Grund für eine Disqualifizierung gewesen wären), und war sehr erstaunt, als ich Sonntag Früh von dem Wahlausgang erfuhr. Im Prinzip interessieren mich die Olympischen Spiele nicht, so wie alle anderen grossen Sportveranstaltungen. Ich finde es besser, Sport selbst zu machen, als ihn im Fernsehen (oder Stadium) anzusehen. Aber jeder hat so seine Hobbies. Vor dem Tohoku-Erdbeben war ich der Idee von Olympischen Spielen in Tokyo jedoch nicht so abgeneigt, da ich mir damals dachte, es könnten sich ja ein paar gute Jobaussichten dadurch ergeben. 

Tokyos Gouverneur Inose und Premierminister Abe
schwelgen im Glueck

Nach dem Tohoku-Erdbeben und vor allem dem Unfall im AKW Fukushima I sehe ich die Sache allerdings anders. Entgegen den meisten Leuten bin ich nicht der Meinung, dass es derzeit irgendein potentielles Gesundheitsrisiko für die Menschen in Tokyo gibt. Das havarierte AKW war in den letzten Wochen wieder öfters in den internationalen Nachrichten, da kontaminiertes Wasser aus den Auffangtanks ausgetreten und in den Pazifik geflossen ist (wieder einmal). Solange dieses Wasser nicht über Tokyo abgelassen wird, besteht keine Gefahr für die Stadt (durch diesen Unfall). Allerdings gibt es abgesehen von den Wasserlecks viele Probleme in diesem AKW und wer weiss, wie die Lage bis 2020 aussieht. 

Istanbul, Tokyo, Madrid - Good Luck to all!
Flughafenarbeiter in Haneda mussten sich für Olympia-Werbung aufstellen

Was mich besonders an der Berichterstattung rund um Olympia 2020 und Tokyo störte, ist folgendes.
*) Wieso berichteten die japanischen Medien (NHK) fast nur im Zusammenhang mit der Olympia-Bewerbung über die Probleme mit dem kontamenierten Wasser in Fukushima I und nicht in den normalen Hauptnachrichten? Wieso waren die zwei Wirbelstürme in der Kanto-Region (zum Glück ohne Tote oder Schwerverletzte) und der bissige Affe in Miyazaki (da gab es Schwerverletze..) in den Medien präsenter, als die Störfälle im Reaktor Oi und das Wasserleck in Fukushima I?

*) Wieso interessiert es die Welt, die internationale Presse, nur im Zusammenhang mit den Olympischen Spielen, dass kontameniertes Wasser ausgetreten ist? (Mein subjektiver Eindruck)

*) Wieso interessieren sich alle nur dafür, welche Auswirkungen der Atomunfall für Tokyo hat (oder haben könnte) - und nicht welche Auswirkungen er tatsächlich für die Leute in Fukushima und den angrenzenden Präfekturen hat? Sind diese Menschen nicht wichtig?! Sind dort nicht viele genug? Ist es nur interessant, wenn 30 Mio. (imaginär) betroffen sind, und nicht jene, die tatsächlich betroffen sind?

*) Könnte das Geld für Olympia nicht besser für die Leute in Tohoku eingesetzt werden?


Übrigens, gestern wurde bekannt gegeben, dass eine Anklageerhebung*) gegen die damaligen Betreiber des AKWs Fukushima und auch gegen damalige Regierungsmitglieder, die vom Atomunfall betroffene Bewohner Fukushimas eingereicht hatten, in allen Punkten abgelehnt wurde. Die Begründung, weswegen niemand zur Verantwortung gezogen werden kann: die Betreiber des AKWs konnten nicht wissen, dass es zu so einem "unvorhersehbaren Tsunami" kommen würde, deswegen ist es sozusagen verständlich, dass der Tsunami-Schutz unzureichend war (für mich unverständlich). Der damalige Premierminister Naoto Kan wurde entlastet, weil sein Besuch am Tag nach dem Tsunami die Notfallsarbeiten im AKW nicht beeinträchtigt hatte (für mich nachvollziehbar).

*) Edit 11. 9.: Im ursprünglichen Eintrag schrieb ich Klage, was allerdings verwirrend ist. Die Bürgergruppe aus Fukushima reichte eine Anklageerhebung ein, welche abgelehnt wurde. Es kam also nie zu einem Prozeß. Hier ein Bericht aus der Nikkei Shinbun über die Ablehnung der Anklageerhebung

Kurz: Niemand ist Schuld - aber Olympia 2020 kommt nach Tokyo. Durch die Lobbyarbeit von Gouverneur Inose und dem jetzigen Premierminister Abe, der den Friedensartikel der japanischen Verfassung ändern und alle AKWs in Japan wieder in Betrieb nehmen möchte. Abe erhält dadurch sicher politischen Aufwind. Und gerade dadurch, dass unter der Abe-Regierung die Olympischen Spiele für Tokyo entschieden wurden, sehe ich keine allzugrosse Hoffnung mehr für die Oppositionsparteien in Japan. Ich freue mich jetzt schon auf die Olympia-Propaganda, und hoffe, dass ich 2020 nicht in Tokyo sein werde. 

Wir können nun alle dazu übergehen, den Olympischen Traum in Tokyo zu träumen, beschwippst von Euphorie und Glück.

Für die Leute in Tokyo gibt es Brot und Spiele. Was gibt es für die Leute in Fukushima?

Das einzig positive an der ganzen Brot und Spiele Sache: wenigstens für die kommenden 7 Jahre dürfte die Welt genauer auf Fukushima schauen und Abe muss (irgendwie) handeln.
Aber was ist nach Olympia 2020?


Weiterführende Links:

Tokyo 2020 Candidate City - Website zur Olympia-Bewerbung Tokyos (Jp, En, Fr)
Tokyo 2020 Olympic - auf FB (die Fotos zu Olympia 2020 sind von der FB Seite)

Grüne Spiele in der Nähe Fukushimas - informativer Artikel von Felix Lill und Christian Hönicke, Zeit Online
Fukushima und Olympia: Langfristige Strategie notwendig - Artikel auf derStandard.at von Birga Teske

Edit 11.9.: Fukushima refugees disappointed that ex-PM, TEPCO execs escape prosecution - englischer Bericht der Mainichi Shinbun zur Ablehnung der Anklageerhebung gegen TEPCO und ehemalige Regierungsmitglieder

4 Kommentare:

  1. Erstens mal: sehr gute Zusammenfassung der ganzen Miserie!
    Ich bin auch deiner Meinung, was das Thema Brot & Spiele betrifft!

    Und ich habe mich auch ständig gewundert, weshalb die Wasserlecks immer nur im Zusammenhang mit Olympia aufgeworfen wurden. Wahrscheinlich hätte es das Thema gar nicht in die Medien geschafft, hätte es keine Diskussion bei den Olympischen Spielen gegeben...
    Und ja, Sport im TV schauen ist total öde! Und jeder Yen für die Veranstaltung ist ein Yen weniger für den Wiederaufbau! Und selbst wenn Olypmia ganz viel Geld einspielt, das fließt dann wieder nur in die Hände einiger weniger eh schon reicher Unternehmer (Bau, Flugkonzerne, Tourismus etc.), nicht in den Wiederaufbau. Also alles rausgeschmissenes Steuergeld!
    Ich frag mich, ob die jap. Regierung für dieses Ergebnis dem Ausschuss nicht auch ein bisschen was zugeschoben hat...

    Und vor allem dann auch noch eine gute Ablenkung von den wahren Problemen, wie auch die Verneinung der Verantwortung. Ich muss ja sagen, ich war sogar überrascht, dass so ein Prozess überhaupt zugelassen und dann tatsächlich wurde. Ich hätte eher gedacht, die hätten nicht mal das erlaubt. Aber das Ergebnis war echt zum Haareraufen, leider wie erwartet, aber absolut zum Haareraufen!!

    Ach ja, noch ein kleiner Nebenkommentar wegen Jobs auf der Olympiade: glaub mir, Olympia wäre keine gute Jobchance gewesen, nicht wenn die Veranstaltung von Coca Cola & McDoof gesponsert wird! Das gesamte Staff musste das nämlich zwanghaft essen & trinken - oder hungern! Zumindest in London... (eine Bekannte hat da gedolmetscht)

    lg, Claudia

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    1. >Ich frag mich, ob die jap. Regierung für dieses Ergebnis dem Ausschuss nicht auch ein bisschen was zugeschoben hat...<

      Angeblich läuft es so ab - wer am meisten zahlt, bekommt die Spiele. Allerdings gibt es keine guten Artikel zu dieser Situation und ist ein Problem der Olympischen Spiele an sich. Wie sehr heutzutage der ursprüngliche Geist von Olympia tatsächlich lebt, ist zu bezweifeln...

      >Ich muss ja sagen, ich war sogar überrascht, dass so ein Prozess überhaupt zugelassen und dann tatsächlich wurde. Ich hätte eher gedacht, die hätten nicht mal das erlaubt.<

      Ich glaube ich hab mich da ein wenig unklar ausgedrückt. Die Klage wurde abgewiesen, sollte besser lauten, die Polizei hat die Anzeige abgelehnt, es kam nie zu einem Prozeß. Ich werde das noch editieren, weil ich es wirklich missverständlich geschrieben habe. 不起訴 = Einstellung der Anklageerhebung...Sorry, mein Fehler

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  2. ach so, also wurde doch vor dem Prozess schon abgelehnt!
    Ich dachte, es gab doch sowas wie eine kurze Scheinverhandlung, die dann gleich mit dem Ergebnis, dass keiner Schuld hat endete.
    Und nein, ich habe das nicht durch deinen blog falsch verstanden, ich habe bei den Nachrichten wohl nicht genug aufgepasst...Muss besser zuhören, und nicht daneben Kochen wenn Nachrichten laufen -.- vor allem bei so wichtigen Sachen... (ich schau immer in der Früh von 7-8, da bin ich immer am verhungern >.<)

    und wegen Bestechungsgeldern bei Olympia - du hast danach gesucht? Find ich klasse! Nur schade, dass das so gut versteckt wird, dass es da keine Artikel gibt....
    Cl

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    1. Naja, war aber trotzdem missverständlich von mir formuliert.... m(-_-)m

      Wegen Bestechungsgeldern, da hast du recht - es gibt keine vernünfitge Artikel dazu, das sind so Gerüchte. Genauso wie Madrid es nicht wurde, weil Paris die Spiele nach 2020 haben möchte. Da wären investigative Journalisten gefragt! Nichts genaues weiß man nicht!

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